Helena

Meditatives Bogenschießen… Was soll das denn sein? Was soll mir das bringen? Und warum macht man sowas auf einem Einsteigerseminar für ein freiwilliges soziales Jahr? 

Diese Fragen gingen mir durch den Kopf, als ich vergangene Woche erfahren habe, dass ich intuitives Bogenschießen machen soll. Zusammen mit Svenja durfte ich mein innerstes Ich von einer ganz anderen Seite kennenlernen und erfahren wo meine wirklichen „Baustellen“ im Leben liegen, dabei habe ich doch nur mit Pfeil und Bogen auf eine Zielscheibe geschossen. 

Ich bin immer noch überwältigt und kann es noch nicht ganz realisieren, was ich Mittwoch erleben durfte. Erstmal zum Hintergrund: Ich bin Helena, ein 19-jähriges Mädchen, welches zur Zeit ein freiwilliges soziales Jahr macht. Ich begleite einen bedürftigen Jungen während der Schulzeit und habe am Montag meinen ersten Seminartag gehabt. Allein das war schon sehr aufregend, da ich die anderen FSJler nicht kannte und eigentlich ein recht verschlossener Mensch bin, der sich mit neuen Situationen und neuen Menschen sehr schwer tut und sich nur schwer fallen lassen kann. 

Bereits zu Anfang habe ich gemerkt, dass ich mich verändern würde und sehr spannende Dinge erleben darf. Ich habe mich auf Anhieb mit allen gut verstanden und gemerkt, dass ich keine Angst vor dem Getrenntsein von meiner Familie und meinem Zuhause haben muss. Auch dieses Gefühl des Wohlfühlens habe ich durch das Bogenschießen bekommen. Zunächst dachte ich mir, dass ich diese Erfahrung einfach mal mitmache und schaue ob ich es schaffe, niemanden zu verletzen und vielleicht auch mal die Scheibe zu treffen und siehe da, direkt der erste Schuss hat die Scheibe getroffen. Aber darum ging es gar nicht. Das Treffen der Scheibe sollte nicht vorrangig  mein Ziel sein, sondern die richtige Führung und Haltung des Bogens, das Fühlen des Pfeils und das anschließende Loslassen, um den Pfeil auf seine Reise zu schicken und das auch noch mit dem richtigen Maß an Energie. Puh, ziemlich viele Dinge auf einmal, aber Svenja hat uns Schritt für Schritt erklärt, wie wir zu unserem Ziel kommen. 

Nachdem wir einige Pfeile geschossen haben, hat sie uns vier Texte vorgelesen, sie thematisieren die Gedanken und Gefühle, welche man spüren sollte, während man vor dem Schießen steht, während man den Pfeil einnockt, während man auszieht und den Bogen hält und während man löst und nachhält. Das alles hört sich noch recht theoretisch und unspektakulär an. Doch bereits zu dieser Zeit gingen meine Gedanken zu meiner Familie. Ich stellte Parallelen zu meinem Leben fest. Beim Bogenschießen, baut man Kraft und Spannung auf, man muss aber auch Gegenkräfte und Spannungen aushalten – Sind das nicht auch Grundelemente des Lebens? 

Ich habe immer mehr in das Gefühl hinein gefühlt und mich fallen gelassen, ich habe die zwanghafte Kontrolle abgegeben. Ich habe dennnoch direkt gemerkt, wo meine Schwierigkeiten liegen. Was kann ich noch verbessern? Wo liegt mein Problem, dass nicht jeder Pfeil auf der Scheibe landet? Svenja hat mein „Problem“ recht schnell erkannt. Nachdem sie uns fragte, was wir verbessern können und ob sich dies auch auf unser Leben übertragen lässt sind bei mir alle Dämme gebrochen. Ich habe direkt angefangen zu weinen, nicht, weil ich traurig oder unglücklich war, nein, sondern einfach nur, weil ich überwältigt war. Überwältigt von meinen eigenen Gefühlen, aber auch von der Erfahrung, die ich machen durfte. 

Ich habe mich sehr schwer damit getan, den Pfeil auf seine Reise zu schicken. Ich habe Probleme mit dem Loslassen. Ich habe mich nicht getraut und dachte immer, dass ich irgendwo noch etwas verbessern kann, bevor ich abschieße, jedoch habe ich dadurch immer den perfekten Zeitpunkt des Loslassens verpasst. 

Genau dieses Thema „Loslassen“ war oder ist immer präsent in meinem Leben. Das fängt damit an, dass ich meine Familie nicht loslassen kann, ich bin sehr ungern getrennt von ihnen. Ich habe auch Schwierigkeiten damit, Personen, die ich liebe genügend Freiraum zu lassen, aus Angst sie zu verlieren. Aber auch der Übergang zum Erwachsenwerden, der sehr viel mit Loslassen zutun hat fällt mir unglaublich schwer. Und genau das alles ist mir in dem Moment in den Kopf geschossen, als Svenja uns fragte, inwiefern das alles in unser Leben übertragbar ist. Wer hätte zu Beginn gedacht, dass das Bogenschießen so viel von unserem Inneren nach Außen bringt? Ich jedenfalls nicht. 

Ich danke Svenja sehr dafür, dass ich diese Erfahrung machen durfte. Durch das Bogenschießen ist mir erst richtig vor Augen geführt wurden, was meine ganz persönlichen „Baustellen“ sind. Ich bin unglaublich froh darüber, dass ich mich zu 100% auf dieses Experiment eingelassen habe und mich komplett fallen gelassen habe. Ich bin immer noch überwältigt und fasziniert davon, dass so etwas möglich ist – ich hätte niemals damit gerechnet, dass dies das Ergebnis vom Bogenschießen sein würde. Es hat mir ein Stück weit meine Augen wieder geöffnet und mich daran erinnert, dass ich genug Mut und Kraft habe an mir zu arbeiten und dazu beigetragen, dass ich in Zukunft nicht mehr so viele Schwierigkeiten mit dem Loslassen habe – der richtige Moment wird kommen und auch dann darf ich loslassen.

Ich kann nur jedem empfehlen, diese Erfahrung zu machen! Es macht nicht nur unglaublich viel Spaß, nein, das Bogenschießen führte mich zu meinem innersten Ich und zeigte mir, woran ich arbeiten sollte.

Danke Svenja, dass ich diese Erfahrung mit dir zusammen machen durfte!